Die Operette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauß führt aus den Wiener Salons und Kaffehäusern in eine ungewöhnlich abgelegene Gegend, ins Temerscher Banat, eine Gegend am Rande des Königreichs Ungarn. „Ungarn“ ist das entscheidende Stichwort für diese Operette, die 1885 uraufgeführt wurde und zur Zeit Maria Theresias im 18. Jahrhundert spielt. Wer sich die Bedeutung von Ungarn für die österreichischen Habsburger vor Augen führen möchte, braucht sich nur die Titel von Maria Theresia ansehen. Sie war nämlich mitnichten Kaiserin, Kaiser war ihr Mann. In Österreich war sie Erzherzogin, Königin war sie dagegen in Böhmen – und vor allem im ungleich größeren Ungarn. An Ungarn hing der Königs- und Kaisertitel, ohne Ungarn konnte Österreich keine Weltmacht sein. Diese Situation verstärkte sich nach der Auflösung des Deutschen Bundes 1866, zu dem Österreich teilweise noch gehört hatte. Jetzt zog Preußen die Grenze im Westen – und Österreich wandte sich, nicht ganz freiwillig, nach Osten wieder Ungarn zu. Seit 1867 gab es nun das, was man „Donaumonarchie“ oder „Doppelmonarchie“ nennt: Ein Kaiserreich Österreich-Ungarn mit zwei gleichberechtigten und eigenständigen Reichshälften. Kaiser Franz Joseph I., der auch König von Ungarn war, bekam die Krone vom ungarischen Ministerpräsidenten Graf Andrássy aufgesetzt, denn der hatte in Ungarn das Sagen. Der Kaiser residierte zwar weiterhin in Wien, Ungarn aber spielte von jetzt an ganz Vorne mit. So entsteht der Eindruck einer von der ungarischen Agenda dominierten Donaumonarchie zwischen 1867 und 1919. Davon zeugt auch die Operette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauß.

29.05.2020